Der ADFC muss noch stärker in Bündnissen denken

Seit November 2023 steht Frank Masurat an der Spitze des neuen ADFC-Bundesvorstands. Im Interview erzählt er, was er sich für die nächsten zwei Jahre vorgenommen hat und wie der ADFC sich in Zeiten multipler Krisen aufstellen muss.

Porträt des ADFC-Bundesvorsitzenden Frank Masurat.
ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat. © ADFC / Deckbar

Seit November 2023 bist du ADFC-Bundesvorsitzender. Was war deine Motivation zu kandidieren?

Über einen Zeitraum von zehn Jahren war ich im Vorstand des ADFC Berlin tätig. In dieser Zeit habe ich das Berliner Mobilitätsgesetz mitentwickelt, seine Umsetzung begleitet und vorangetrieben. Dabei habe ich gesehen, wo die Probleme liegen: langsam agierende Verwaltungen, Personalmangel, unzureichendes Budget für den Radverkehr und die Einschränkungen des aktuellen Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Das StVG setzt sehr enge Grenzen und erschwert damit die Verkehrswende auf kommunaler Ebene deutlich. Ich habe als ADFC-Bundesvorsitzender kandidiert, um auf Bundesebene die Rahmenbedingungen mit einem neuen Straßenverkehrsgesetz und einer überarbeiteten Straßenverkehrs-Ordnung zu verbessern. Damit die Verkehrswende in den Kommunen schnell umgesetzt werden kann und effizienter qualitativ hochwertige Radwege gebaut werden können.

Das Fahrrad ist Teil der Lösung für die Klimakrise

Was hast du dir für die nächsten zwei Jahre als Bundesvorsitzender vorgenommen?

Vor einem Jahr hat der ADFC eine wegweisende Fünf-Jahres-Strategie verabschiedet, deren konsequente Umsetzung nun im Fokus steht. Es gilt, diese Strategie mit Ressourcen und Finanzen zu hinterlegen und festzulegen, was wir in welchem Jahr machen und unsere Fortschritte im Blick zu behalten. Wir fordern von den Verwaltungen auf allen Ebenen, dass sie schneller werden, agile Verfahren einsetzen und Dinge ausprobieren. Das ist auch für den ADFC wichtig, Entscheidungen müssen schneller als früher getroffen werden, Positionen müssen bis in die Tiefen des Verbands kommuniziert werden, damit wir nach außen zeigen, wir sind ein ADFC. Besonderes Augenmerk wollen wir in den nächsten zwei Jahren auch auf die Entwicklung der Jugendorganisation legen.

Im ADFC ist der Klimaschutz mittlerweile ein wichtiges Thema und in unserer Satzung verankert. Die Klimakrise rückt immer näher, trotzdem werden die Klimaschutzziele im Verkehr immer wieder verfehlt. Der ADFC muss und wird noch viel stärker aufzeigen, dass das Fahrrad ein Teil der Lösung für die Klimaschutzziele im Verkehr ist. Das ist relativ viel für die nächsten zwei Jahre – vielleicht brauchen wir auch hier und da etwas länger.

Der ADFC bietet Menschen einen Kanal, um aktiv zu werden

Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Das spürt auch der ADFC. Es ist schwerer geworden, Menschen für den ADFC und seine Ziele zu begeistern. Wie stellt sich der ADFC dieser Herausforderung?

Als ADFC ist es unsere Aufgabe, Menschen davon zu überzeugen, nicht alles einfach hinzunehmen, sondern ihnen aktiv Handlungsmöglichkeiten zu bieten.

Eine starke Zivilgesellschaft – und der ADFC ist ein starker Akteur in der Zivilgesellschaft – stärkt auch die Demokratie. Wir haben das in Berlin erlebt, als die zart angefangene Verkehrswende plötzlich zurückgedreht wurde. Das war auf der einen Seite völlig frustrierend, jedoch eröffnete es uns die Chance, neue Bevölkerungsgruppen anzusprechen, indem wir aktiv auf die Straße gingen.

Wir haben gemerkt, dass wir den Menschen etwas Wertvolles bieten können: einen Kanal, um aktiv zu werden und bei Aktionen, Demonstrationen und Petitionen mitzumachen und sich so für bessere Radwege und mehr Klimaschutz einzusetzen. Darüber konnten wir auch viele neue Mitglieder gewinnen und verzeichneten ein starkes Mitgliederwachstum.

Außerdem können wir noch stärker die Mitte der Gesellschaft ansprechen. Dazu ist es erforderlich, uns von der Konfrontation „Radfahrende gegen Autofahrende“ zu lösen. Stattdessen können wir uns vermehrt Themen wie Schulwegsicherheit widmen, die auch junge Familien ansprechen und für einen Großteil der Gesellschaft anschlussfähig sind.

StVG-Reform steht auf der Kippe

Im November 2023 wurde die vom ADFC lange geforderte und inhaltlich eng begleitete Reform des Straßenverkehrsgesetzes vom Bundesrat ausgebremst. Was hat der ADFC dem entgegenzusetzen?

Die Entscheidung des Bundesrats zum Straßenverkehrsgesetz war bitter. Die Themen Verkehrssicherheit und Klimaschutz werden damit mindestens verschoben. Das Wichtigste ist jetzt, dass der Vermittlungsausschuss angerufen wird, damit die Reform des StVG doch noch verabschiedet werden kann. Dafür sind wir sofort aktiv geworden, haben Pressemitteilungen versendet, die Öffentlichkeit informiert, Abgeordnete angeschrieben und Lobbygespräche im Bundestag geführt. Leider wurde der Vermittlungsausschuss bisher nicht angerufen.

Bei der Entscheidung im Bundesrat hat die Machtpolitik über die Sachpolitik gesiegt. Als ADFC müssen wir grundsätzlich darüber nachdenken, wie wir auch auf der Ebene der Machtpolitik eine stärkere Rolle einnehmen können. Denn der eingebrachte Gesetzesentwurf war ein Kompromiss, der mit allen Fachebenen und den Verkehrsminister:innen der Länder abgestimmt war. Wir hätten uns da inhaltlich noch viel mehr vorstellen können. Es braucht jedoch Zeit, um in der Machtpolitik mehr Einfluss zu gewinnen. Jetzt ist erstmal wichtig, dass das StVG in den Vermittlungsausschuss kommt.

In Bündnissen denken und Zusammenarbeit stärken

Hat der ADFC für 2024 schon konkrete Schritte geplant, um die Verkehrswende voranzubringen?

Der ADFC muss im Kontext der Verkehrswende und des Klimaschutzes noch viel stärker in Bündnissen denken und mit anderen Organisationen und Bewegungen zusammenarbeiten. Eine erhöhte Toleranz gegenüber unterschiedlichen Forderungen und Methoden, solange sie gewaltfrei sind, ist dabei unabdingbar. Wichtig ist, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, wie die Verkehrswende oder sichere Straßen. Ende des letzten Jahres haben wir zum Beispiel mit den Hauptakteuren im Schienenverkehr, mit Gewerkschaften und der Fahrradwirtschaft ein Positionspapier erarbeitet, das wir im Januar 2024 bei einer Pressekonferenz vorgestellt haben.

Wir haben eine Studie beim Fraunhofer Institut in Auftrag gegeben, die die Auswirkungen von mehr Radverkehr auf den Klimaschutz quantifizieren soll. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Das Thema werden wir dann auch stärker spielen.

Es gibt eine breite Bewegung, die klimaschädlichen Subventionen abzubauen. Auch dazu werden wir uns in den nächsten Wochen und Monaten positionieren.

Das große Thema für den ADFC 2024 ist unsere Kampagne RADvolution, die in diesem Jahr richtig in Fahrt kommen soll. Bei Sternfahrten, Fahrraddemos und anderen Aktionen wollen wir unsere Forderungen für gute Straßen für alle, für lebenswerte Orte und für die Verkehrswende mit dem Fahrrad über Kampagnenmaterial wie Fahnen, Banner und Demoschilder sichtbar machen. Unseren Ortsgruppen werden wir Aktionsideen an die Hand geben, um zu festen Terminen das Thema bundesweit in der Öffentlichkeit breit und sichtbar zu machen.


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Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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