taz-Artikel "Unterwegs in der Fahrradwüste"
taz-Redakteur Bernd Muellender, selbst wohnhaft in Aachen, bezeichnet Krefeld nach einer mehrstündigen Erkundungsfahrt als "Radwüste". Was steckt dahinter?
Die Teilnahme eines Redakteurs der “taz” an einer Erkundungsfahrt auf Krefelder Radwegen im September verschafft unserer Stadt bundesweite, allerdings wenig erfreuliche mediale Aufmerksamkeit. Der Titel “Unterwegs in der Radwüste” gibt schon einen Vorgeschmack auf die eher negativen Eindrücke. Was war geschehen? Die taz ist ja nicht B..d oder E.....s und durchaus für neutrale, wenn auch kritische Berichterstattung bekannt.
Fahrradfahren in Krefeld - Unterwegs in der Radwüste:
https://taz.de/!5876737/
Sind die Verhältnisse wirklich so schlimm? Und vor allem: Ist dies nur in Krefeld so oder ist womöglich ganz Deutschland für Radfahrende eine Wüste mit nur ganz vereinzelten Oasen? Auch Nachbarstädte wie Mönchengladbach, Neuss, Moers oder Duisburg sind schließlich keine “Fahrrad-Eldorados”. Echte Vorbilder sind eher im Ausland zu finden, was die Übertragbarkeit aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher und finanzieller Rahmenbedingungen jedoch schwierig macht.
Warum also ausgerechnet Krefeld, wo die Stadtverwaltung gerne mit “Fahrradfreundlichkeit” wirbt?
Unsere Stadt ist Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (kurz AGFS NRW e.V.) und unser Oberbürgermeister ist - wie schon seine Vorgänger - Vorsitzender dieses Vereins, der Anfang der 90er von der Landesregierung ins Leben gerufen wurde. Dies steigert natürlich die Erwartungshaltung die örtliche Radinfrastruktur.
Allerdings finden die freundlichen Empfehlungen der AGFS nur selten Anwendung in der Krefelder Verkehrsplanung. Statt dessen stehen einige Schilder mit der Aufschrift “Fahrradfreundliche Stadt Krefeld” ausgerechnet an Radwegen, die mit Schlaglöchern und Wurzelaufbrüchen gespickt sind. Das lässt natürlich selbst wohlmeinende Menschen daran zweifeln, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung das Leitbild der AGFS überhaupt verstanden haben. Dieser Eindruck konnte dann im Laufe der Erkundungstour erwartungsgemäß weder auf den Hauptstraßen noch auf den ruhigen, aber ebenso mit Hindernissen und Unzulänglichkeiten gespickten “fahrradfreundlichen” Nebenstrecken zerstreut werden.
Der taz-Bericht enthält eigentlich nichts, was nicht schon lange bekannt ist, sondern legt nur nochmal den Finger in die Wunde. Er wirft damit natürlich die Frage auf, warum die Missstände bisher nicht angegangen werden und warum Radfahrende nicht wöchentlich vors Rathaus ziehen. Der ADFC hat immer wieder auf den wachsenden Sanierungs- und Modernisierungsstau hingewiesen und über den FahrRad Aktionskreis auch konkrete Verbesserungsvorschläge gemacht bis hin zu einem 4-Phasen-Plan für eine zukunftsfähige Radinfrastruktur. Aber die Fahrradszene ist inzwischen auch etwas müde geworden angesichts der immer wieder hinhaltenden Antworten der Stadtverwaltung. Auch die Ratsmehrheit beklagte in den vergangenen Jahren immer wieder die Zustände, sorgte aber bis 2020 weder für die nötige Personalausstattung in der Verwaltung, noch bewilligte sie einen ausreichenden Etat für die Erneuerung und den Ausbau des Radverkehrsnetzes.
Erst 2020 wurden endlich Personalentscheidungen getroffen, die die Verwaltung und den KBK in Sachen Radverkehr überhaupt wieder handlungsfähig machen und ein externes Büro mit der Erstellung eines Radverkehrskonzepts mit Maßnahmenvorschlägen beauftragt.
Dieses Konzept geht gerade in die politische Beratung. Es könnte - trotz noch einiger Schwächen - den Weg raus aus dieser von der taz beschriebenen “Wüste” aufzeigen. Dazu sind aber auch mutige Entscheidungen in der Politik und eine entschlossene Umsetzungsstrategie der Verwaltung unter Einbeziehung der Fachverbände erforderlich.
Denn eins ist klar: Wenn das erklärte Ziel erreicht werden soll, neue Personenkreise für den Umstieg aufs Rad zu gewinnen und zugleich die Unfallzahlen zu senken, darf Radfahren im Alltag kein Hürdenlauf mehr sein. Eltern müssen ihre Kinder ruhigen Gewissens zur Schule radeln lassen können und auch für längere Pendlerstrecken müssen attraktive Angebote geschaffen werden.
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