Mobilität in Kempen: ADFC, FUSS e.V., VCD und BIKK machen Druck

Verbände unterstützen Klage gegen ungeeignete Radwege und fordern zügige Umsetzung des Radverkehrskonzepts.

Wenn Radfahrende gegen Radwege protestieren, erscheint das zunächst ungewöhnlich. Wer sich die umstrittenen „Radwege“ an der Berliner Allee und der St. Töniser Straße genauer ansieht, erkennt aber schnell den Grund dafür: Dort wurden die bisher durch eine Markierungslinie getrennten (zu schmalen) Fahrrad- und Fußwege auf dem Hochbord per Anordnung (Verkehrs­zeichen 240, siehe Infokasten) zu einem gemeinsamen Rad-/Gehweg vereint. Dies ist nicht nur auf der Berliner Allee umgesetzt worden, sondern auch auf einem Abschnitt der St. Töniser Straße, auf der grundsätzlich keine Benutzungspflicht besteht. Radfahrende müssen sich nun weiterhin das Hochbord mit dem Fußverkehr teilen und notfalls sogar anhalten.

„Wer da mit dem Rad z.B. im Schülerverkehr unterwegs ist, kommt kaum voran, während der Verkehr auf der Fahrbahn rollt.“, so Andreas Domanski vom ADFC Krefeld – Kreis Viersen. „Radverkehr gehört hier auf die Fahrbahn.“, meint auch Rainer Clute-Simon von der BIKK. „Der Weg an der Berliner Allee ist eine zu schmale, unkomfortable Wellenbahn ohne Nullabsenkungen an den Einmündungen“, sind sich alle einig.
So trauen sich ältere Anwohner wegen des dichten Radverkehrs auf dem Hochbord auch weiterhin in den Schulwegzeiten nicht zu Fuß aus ihren Häusern. Wer mit einem S-Pedelec oder einem Lasten-Dreirad berechtigterweise auf der Fahrbahn fährt, wird dort als „Exot“ von Autofahrenden häufig angehupt, eng überholt und ausgebremst.

Da diese Beschilderung neu angeordnet worden ist, konnte dem widersprochen werden, so Domanski. Dies ist auch von betroffenen Bürger_innen gemacht worden, aber ohne Erfolg. Auch eine nochmalige schriftliche Aufforderung an den Bürgermeister, die Verwaltung zu einer Korrektur der Anordnung zu bewegen, brachte keine Verbesserung.

Deshalb wurde nun Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Zur Unterstützung des angestoßenen Rechtsstreits bitten ADFC, FUSS e.V. und VCD um Spenden mit dem Verwendungszweck „Fuß- und Fahrradstadt Kempen“ an: FUSS e.V., Postbank Berlin, IBAN: DE74 1001 0010 0226 2651 06

Eine Spendenquittung schickt FUSS e.V. Anfang nächsten Jahres zu, wenn neben dem Verwendungszweck auch Name und Adresse genannt werden.

Die Verwaltungsvorschriften sehen schon seit langem hohe Hürden für die Anordnung einer Benutzungspflicht vor. Benutzungspflicht für Radwege darf nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußverkehr zur Verfügung stehen und wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern. Viele beschilderte Radwege in Kempen entsprechen aber nicht den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen und sind außerdem oft zu schmal. So kommt es häufig zu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern.

Das Vorgehen der Stadt Kempen ist ganz klar eine Missachtung von Ratsbeschlüssen, des Radverkehrskonzepts, der Interessen der Fußgänger und Radfahrer und der gesetzlichen Bestimmungen, so ADFC, FUSS e.V., VCD und BIKK.

Vorgeschichte und Hintergrund:

Die Verbände fordern bundesweit und vor Ort in Kempen schon lange eine Verkehrswende. Sie dient dem Klimaschutz und stärkt die Gesundheit der Menschen durch mehr Bewegung (Fuß- und Radverkehr) sowie weniger Abgase.Trotzdem wird im Kempen der nichtmotorisierte Verkehr leider immer noch an den Rand gedrängt. Dies ist besonders schade, da Kempen eine 15-Minuten-Stadt ist und beste Voraussetzungen hat, eine Vorzeige-Fuß- und Fahrradstadt zu werden.

Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr sind in Kempen an der Tagesordnung, nur damit der Autoverkehr ungestört fließen kann. Dabei wurden schon im Radverkehrskonzept von 1997 viele Maßnahmen aufgeführt, die den Radverkehr erleichtern und sicherer machen würden, die aber bis heute nicht umgesetzt wurden, wie z.B. die Umwandlung von Wiesenstraße und Heyerdrink in eine Fahrradstraße.

Das neue, 2019 beschlossene Radverkehrskonzept sieht in der Berliner Allee die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht und Piktogramme auf der Straße, durchgehend Tempo 30 und am LvD eine Shared-Space-Zone vor. Wieder hofften Verbände, Bürgerinitiativen und der Stadtrat auf eine schnelle Umsetzung. Der Abbau/Austausch der Schilder und Markierungsarbeiten sollten nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Jedoch bliebt die Verwaltung zwei weitere Jahre bis auf die Einrichtung einer kleinen Fahrradzone untätig, bis im Herbst 2021 auf dem Rad-/Fußweg der Berliner Allee plötzlich nur die Schilder ausgetauscht wurden.

Während andere Städte die Verhältnisse für den Radverkehr mit Popup-Lösungen schnell verbessert haben, sind in Kempen noch nicht einmal neue Fahrradstraßen aus dem Radverkehrskonzept umgesetzt worden. „Stillstand ist Rückschritt“, so Gisela Ditzen von FUSS e.V.

Besonders unverständlich ist auch, dass die Stadt Kempen den Fussverkehr-Check abgesagt hat, den Roland Stimpel, Vorstand von FUSS e.V. Deutschland kostenfrei letztes Jahr für Kempen durchführen wollte. Wenn alle Empfehlungen und Unterstützungsangebote von der Verwaltung nicht genutzt werden, kann Kempen keine Fuß- und Fahrradvorzeigestadt werden, so Michael Seibert vom VCD. So verhindert die Verwaltung die Förderung der aktiven Mobilität und damit nimmt sie auch Ihre Verpflichtung zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge und zum Klimaschutz nicht wahr.

Eine Radwegebenutzungspflicht darf gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt. 

Eine weitere Voraussetzung ist, das ausreichende Flächen für den Fußverkehr zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für die beiden hier angesprochenen Arten von kombinierten, benutzungspflichtigen Rad-/Fußwegen.

VZ 241: Rad- und Fußweg liegen nebeneinander und sind baulich oder durch eine Markierung getrennt. Hier müssen Radfahrer und Fußgänger den Weg getrennt nutzen. Die Mindestbreite für den Radwegteil beträgt hier 1,50 m .

VZ 240: Rad- und Fußverkehr teilen sich diesen Weg. Dabei müssen Radfahrer immer auf die Fußgänger Rücksicht nehmen. Die Mindestbreite für einen gemeinsamen Geh- und Radweg beträgt innerorts 2,50 m.

Info zu den Verbänden:

ADFC: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club setzt sich als verkehrspolitischer Verein für die konsequente Förderung des Fahrradverkehrs ein.

FUSS: Der Fachverband Fußverkehr Deutschland ist die Interessenvertretung der Fußgänger*innen Deutschlands.

VCD: Der ökologische Verkehrsclub Deutschland setzt sich für die Verkehrswende, eine klimaverträgliche, sichere und gesunde Mobilität für Menschen ein.

BIKK: Die Bürgerinitiative Kempen setzt sich für Fußgänger- und Fahrradfreundlichkeit, Gesundheit, Nachhaltigkeit, CO2-neutral und Klima/Natur/Umwelt ein.

Das Bildmaterial wurde von BIKK zur Verfügung gestellt.


https://krefeld-viersen.adfc.de/pressemitteilung/mobilitaet-in-kempen-adfc-fuss-ev-vcd-und-bikk-machen-druck

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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